video_label

Streitfall Freihandel: TTIP & CETA - so nicht! Informationsabend mit Daniel Renkonen MdL und Sven Giegold MdEP

"Es geht um nicht weniger als um demokratische Grundrechte und Freiheitsrechte der Bürger", so Ortsvorstand Andreas Roll in seinen Begrüßungsworten an die Gäste in der Marbacher Stadthalle am 20. Januar.

Der Landtagsabgeordnete Daniel Renkonen hatte zusammen mit unserem grünen Ortsverein Marbach zum Informations- und Diskussionsabend zum Thema Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union geladen. Er stand unter dem Motto "TTIP und CETA - so nicht!".

Der Widerstand ist groß, die Demo in Berlin im Oktober 2015 war mit 250.000 Teilnehmern die größte seit dem Irak-Krieg. Auch in Marbach hat sich ein breites Bündnis von TTIP-Kritikern gebildet.

Daniel Renkonen machte deutlich, dass das Thema die Menschen im Landkreis unmittelbar betrifft. Nach jetzigem Stand der Verhandlungen könne man TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) nicht zustimmen: "Das Abkommen konterkariert die Ziele der grün-roten Landesregierung, die sich für regionale Lebensmittel, eine kleinbäuerliche Landwirtschaft und gegen Gentechnik einsetzt."

Unterschiedliche Philosophien

Gastredner des Abends war der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold. Im Rahmen von TTIP werde über alle Wirtschaftssektoren verhandelt mit dem Versprechen, Handelshemmnisse aufzuheben und so die Konjunktur zu stärken, so Giegold. Doch selbst nach den optimistischsten Studien seien die wirtschaftlichen Effekte äußerst gering. Dabei betonte er, dass der Abbau von Zöllen und die Angleichung technischer Standards relativ harmlos seien. "Die eigentliche Herausforderung liegt in den gesellschaftlichen Standards", führte der EU-Abgeordnete aus. Die Problematik zeige sich zum einen in der unterschiedlichen Produktphilosophie. In Europa müssten entsprechend dem Vorsorgeprinzip neue Produkte erst genehmigt werden, bevor sie auf dem Markt angeboten werden können. In den USA dagegen könne - fast - jedes Produkt zunächst auf den Markt gelangen. Stellt sich im Nachhinein eine Gefährlichkeit heraus, drohen dem Unternehmen teils horrende Schadensersatzklagen ("Nachsorgeprinzip"). Diese beiden Systeme seien kaum harmonisierbar.

Die Demokratie darf nicht geschwächt werden 

Ein zweiter wesentlicher Kritikpunkt richtet sich gegen die Festlegung von Normen im Rahmen eines Freihandelsabkommens, die anschließend nicht mehr in demokratischen Prozessen verändert werden können. "Auch wir haben Normen, die nicht gut sind - zum Beispiel beim Tierschutz. Freihandelsabkommen, die heutige Normen festschreiben, machen höhere Standards in Zukunft unmöglich. Die freie Demokratie wird geschwächt. Eine Gesellschaft muss Standards verändern können", so Giegold.

Keine privaten Schiedsgerichte

Auch die privaten Schiedsgerichte seien nicht hinnehmbar. Demokratisch verabschiedete Gesetze dürften nicht unter Schadensersatzvorbehalt stehen, indem immer Klagen wegen Umsatzeinbußen drohen würden. "Das ist ein direkter Angriff auf die soziale Marktwirtschaft." Giegold sprach sich für einen internationalen Handelsgerichtshof auf neutralem Boden aus, bei dem nicht nur Unternehmen, sondern auch Geschädigte von internationalen Investitionen Klage einreichen könnten. Faire, transparente Prozesse mit Revisionsmöglichkeit seien absolut notwendig.

Aussichten

Wie sieht Giegold die Chancen, dass TTIP in Kraft treten wird? Zunächst könne man festhalten, dass sich der Prozess noch lange hinziehen werde, da die schwierigsten Kapitel noch gar nicht verhandelt worden seien. Das verschaffe der Zivilgesellschaft Zeit. Im Rahmen von CETA ("Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen"), dem kanadischen Pendant zu TTIP, habe sich die neue kanadische Regierung bereit erklärt, den Aspekt der Schiedsgerichte nachzuverhandeln. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten dem Abkommen TTIP in seiner jetzigen Form zustimmen würden. Dafür müsste TTIP allerdings als ein sogenanntes "gemischtes Abkommen" definiert werden, über das nicht nur das EU-Parlament und der Ministerrat, sondern auch die nationalen Parlamente abstimmen dürfen. Hier kommt auch die Bedeutung der nächsten Landtagswahl am 13. März ins Spiel. "Jedes gemischte Abkommen kann von einer grün-roten Mehrheit im Bundesrat gestoppt werden", so Giegold. Im Anschluss an Giegolds Vortrag kamen die Gäste mit den beiden Politikern ins Gespräch. Renkonen und Giegold ermutigten die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin ihren Protest zu bekunden, Beschlüsse zu fassen, kritische Anfragen zu stellen und auch Demonstrationen zu organisieren, zum Beispiel in Brüssel - dort wäre es die erste.

expand_less